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Nachhaltige Geldanlagen: Eine Frage der Definition?

Aktualisiert: 25. Juli 2021

Von Robin Schmitt-Opitz im Private-Magazin 03/2020. #impactinvesting #sustainablefinance #esg


In der Schweiz sind nachhaltige Geldanlagen sowohl von privaten als auch von institutionellen Investoren gefragt wie nie zuvor: Nachhaltige Fonds prosperieren und verzeichnen anhaltend starke Mittelzuflüsse.


Das Wachstum wird von einer steigenden Anzahl neu aufgelegter Fonds, sowie solchen, die eine Repositionierung durchgangen sind, getragen. Doch kaum hat sich der Finanzsektor an diese neue Anforderungsklasse gewöhnt, lassen sich vermehrt innerthematische Trends mit unterschiedlichen Ausrichtungen zum Thema nachhaltiger Investments finden.


Dieser Beitrag gibt eine grobe Einordnung der wesentlichen «nachhaltigen Anlagestrategien» und bietet eine Orientierung in den verschiedenen nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen im Asset Management. Es wird die Uneinheitlichkeit von ESG Ratings besprochen und anhand eines Beispiels im Bereich des Impact Investing, die bisweilen stärkste Motivation des nachhaltigen Investierens, thematisiert.


Nachhaltigkeit ein Begriff im Wandel


Der klassische Begriff der Nachhaltigkeit hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft, in der bereits vor 300 Jahren die Forstleute verstanden haben, nur so viel Bäume zu fällen, wie durch neue Pflanzungen wieder nachwuchsen. Ziel war es, einen laufenden Ertrag zu sichern, ohne dass der Baumbestand für die Zukunft schrumpfte.

Heute lautet die mit am häufigsten zitierte Definition von «Nachhaltiger Entwicklung» nach dem Bruntland- Bericht aus dem Jahr 1987 «Our Common Future» - Unsere gemeinsame Zukunft: «Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können».


Bei der Debatte um Nachhaltigkeit und als zentrales Thema von nachhaltigen Investments steht die Orientierung am Nachhaltigkeits-Dreieck, welches aus den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales besteht. Sie sind als miteinander vernetzte und sich gegenseitig zu beeinflussende Dimensionen zu verstehen. Ziel der Bemühung um Nachhaltigkeit ist es, jene Balance zwischen diesen drei Dimensionen neu herzustellen, die in den letzten hundert bis zweihundert Jahren verloren gegangen ist.

Im Angesicht der real-ökologischen und sozialen Folgen des Ungleichgewichts innerhalb dieses Dreiecks, ist die anhaltend steigende Nachfrage für nachhaltige Geldanlagen nicht verwunderlich und erklärt das Wachstum dieses Segments in Rekordhöhen.

Von der Nische in den Mainstream


Gemäss dem jüngsten Marktbericht 2020 des Forums für nachhaltige Geldanlagen (FNG) beläuft sich die Summe der als nachhaltig definierten Fonds und Mandate in der Schweiz auf 672 Milliarden Franken. Das sind 423 Milliarden Franken mehr als im Jahr 2018 und entspricht einem Zuwachs von knapp 160% innerhalb eines Jahres und einen aktuellen

Marktanteil von 38% des gesamten Schweizer Fondsmarktes. Dabei stellt die Integration von ESG Daten im Jahr 2019 die verbreitetste Methode in der Schweiz dar, Nachhaltigkeit in Anlagefonds & Mandaten abzubilden. Der sog. ESG-Integration-Ansatz kann durch die Auswertung von ESG Ratings als ein weiteres Risikomass angesehen werden und somit auch ohne Weiteres in traditionelle Finanzanalysen miteinfliessen.

Neben der «ESG-Integration» stellen Ausschlüsse von bestimmten Sektoren oder Branchen, wie z.B. der Ausschluss thermischer Kohleenergie oder Zigaretten, einen gängigen Ansatz dar, um einen Nachhaltigkeitsansatz zu verstärken. Das sog. Ausschlussverfahren folgt an zweiter Stelle und findet auf 64 Prozent der Fonds und Mandate, die von der FNG-Marktstudie als nachhaltig eingestuft werden, in der Schweiz Anwendung.


Nachhaltige Themenfonds oder das Impact Investing sind mit 8 Prozent, respektive 6 Prozent der nachhaltigen Anlagestrategien in der Schweiz nur vergleichsweise rar vertreten und somit fast unbedeutend für das Gesamtwachstum nachhaltiger Geldanlagen. Diese innerthematischen Trends und die auffällig häufige Implementierung des ESG-Integration-Ansatzes, fordern dazu auf, sich näher mit den jeweiligen Kriterien und Anforderungen der einzelnen Strategien zu beschäftigen.


Von ESG-Integration bis hin zum Impact Investing : Wert- bezogenes und Werte- bezogenes Investieren


Die Bezeichnungen ESG-Integration oder das ESG-Investing haben sich bisweilen auch als Synonyme für nachhaltige Investments bei einer Mehrzahl von Fachanlegern durchgesetzt. Die englische Abkürzung ESG steht für «Environmental, Social, Governance». Auf Basis dieser drei Kriterien werden Unternehmen in ihrer unternehmerischen Praxis von Ratingagenturen untersucht, in welchem Masse sie Umwelt (E) und soziale (S) Kriterien beachten, sowie beurteilt, wie die Art der Unternehmensführung (G) ausfällt.

ESG Ratings können auch als ein Risikomass bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken in Unternehmen verstanden werden. Anders wie Bonitäts-oder Kreditratings, die auf klaren Daten und berechenbaren Zahlen beruhen, sind ESG-Ratings jedoch grösseren Ermessensspielräumen ausgesetzt und beziehen sich ausschliesslich auf nicht finanzielle Daten. Solche Daten werden gemäss des Handbuches der DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management ) als ESG KPIs (Key Performance Indicators) definiert und umfassen beispielsweise den Müllverbrauch, die Energieeffizienz oder den Innovationsgrad eines Unternehmens. Laut der DVFA steht diese Nachhaltigkeitsberichterstattung zwar zugleich im Fokus von NGOs, Mitarbeitenden, Medien oder der Zivilgesellschaft, deren teils weiterreichenden Ansprüche bei der Erarbeitung der KPIs wurden aber nicht explizit mitberücksichtigt. Stattdessen sind diese allein auf die Interessen der Investoren als Zielgruppe ausgerichtet. Das bedeutet, dass bei Investments nach ESG-Kriterien die finanzielle Wesentlichkeit der Indikatoren in der Regel das Hauptkriterium der Beurteilung darstellt, was auf eine Übergewichtung der ökonomischen Ebene hinweist und die Maximierung des wirtschaftlichen Erfolges bei der Bewertung stets im Vordergrund, unter Ausschluss von besonderen Risiko-Kriterien, steht.

Je nach Rating-Agentur werden mit dieser Methode sowohl individuelle ESG-Bewertungskriterien als auch verschiedene Gewichtungen dieser Kriterien festgesetzt. Somit legt beispielsweise manch eine ESG-Ratingagentur das wichtige Themenfeld Lobbyismus als ein starkes Bewertungskriterium fest, wohingegen eine andere Agentur diesem Kriterium nur einen geringen Stellenwert in der Gesamtbewertung einräumt. Die resultierenden Ratings können demnach, je nach Agentur, für ein und dasselbe Unternehmen unterschiedlich bis hin konträr in ihren Beurteilungen zueinander ausfallen.

Erfahrungsgemäss werden die Benotungen der einzelnen Kriterien in Form von Buchstaben- oder Zahlen- Kombinationen in einem Gesamtrating abgebildet. Es ist somit gut möglich und in der Praxis oftmals erkennbar, dass eine relativ hohe Bewertung für die Unternehmensführung (G) eine unterdurchschnittliche Bewertung aus dem Sozialverantwortlichkeits-Bereich (S) oder dem Umwelt- Bereich (E) ausgleicht und dies in einem überdurchschnittlich hohem ESG-Gesamtrating des Unternehmens mündet. Aber ist es wirklich zielführend, in der Bewertung von Nachhaltigkeit, beispielsweise eine schlechte Umweltbilanz eines Unternehmens mit einer guten Unternehmensführung verrechnen zu dürfen, und steht diese Methode gar einer differenzierten Bewertung im Wege? Die Beurteilung scheint zu vereinfacht, um damit den Anspruch zu erheben, Unternehmen zu identifizieren, die durch ihr verantwortungsvolles Wirtschaften einen sozialen und ökologischen Einfluss, neben einem finanziellen Gewinn, beabsichtigen.


Qualitative Auswahlprozesse für ein nachhaltig ausgerichtetes Portfolio


An dieser Erkenntnis orientiert sich das Impact-Investing, ein Investment mit der gezielten Absicht, neben einer positiven finanziellen Rendite, auch messbare, positive Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft zu erzielen. Diese Methodik richtet einen Fokus auf die zukünftigen sozialen und ökologischen Auswirkungen eines Unternehmens und ordnet die Wirtschaftlichkeit diesen Kriterien bewusst unter.

Ein ESG-Rating und das Ausschlussverfahren kontroverser Unternehmen bieten ein solides Fundament für eine engere Eingrenzung des Nachhaltigkeitsbegriffes. Dabei zu berücksichtigen ist jedoch, dass dieses Verfahren hauptsächlich durch die Auswertung von Daten vorausgegangener Berichtsperioden geprägt ist. Dies stellt ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum Impact-Investing dar, welches sich mittels eines qualitativen Auswahlprozesses auch auf vorwärts gerichtete zu erwartende Transformationsleistungen und damit verbundenen Kennziffern eines Unternehmens bezieht. Dabei bilden die 17 globalen nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs), die im Jahr 2015 formuliert wurden, eine richtungsweisende Zielsetzung.


Starke Nachhaltigkeitskriterien in der Titelauswahl


Ein erfolgreiches Beispiel aus der Praxis ist der Global Challenges Index (GCX). Er zeigt, wie in einer Zwei-Stufen- Methode verschiedene Nachhaltigkeitsansätze in der Kombination einen konsequenten Nachhaltigkeitsansatz ergeben können. Das Fundament erbringt in diesem Fall ein klassisches ESG-Research-Institut. Eine darauf aufbauende qualitative Beurteilung erfolgt mittels eines unabhängigen Beirats, der aus kirchlichen Vertretern und Personen aus den Bereichen Wissenschaft und Umweltverbänden zusammengesetzt wird. Durch Positiv-und Ausschlusskriterien werden die 17 SDGs in sechs Handlungsfelder wie folgt konkretisiert: Klimawandel, Wasser, Entwaldung, Biodiversität, Armut und Bevölkerungsentwicklung. Durch die Formulierung dieser sechs Handlungsschwerpunkte gelingt es, dass Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung aus der häufig beklagten Abstraktheit zu holen. Die Wertentwicklung des GCX seit Auflage in 2007 zeigt im Übrigen, dass auch ein rein unter sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien zusammengestellter Index wirtschaftlich auffallend erfolgreich sein kann.


Die gezielte Zusammensetzung von sich ergänzenden Konzepten nachhaltiger Anlagestrategien kann somit ein Schlüssel für ein Gesamtkonzept in der Abbildung starker Nachhaltigkeit bei Investmentfonds darstellen.


Der Original Beitrag kann hier eingesehen werden.


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