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Proxy Voting: Die Musik spielt jenseits des Duopols

Autorenbild: Ethius Invest Ethius Invest

Aktiv die Stimmrechte zu nutzen, gilt als eine der effektivsten Maßnahmen, um auf Unternehmen im Sinne von Nachhaltigkeit und Transformation einzuwirken. Investoren, die dieses Mittel systematisch nutzen wollen, sind auf Dienstleister angewiesen. Den Markt dominieren zwei US-amerikanische Player. Wer einen Unterschied machen will, setzt auf Alternativen.  Aus Sicht von Ökonominnen und Ökonomen ist folgender Sachverhalt sonnenklar: Marktkonzentration geht in der Regel zulasten der Nachfrageseite. Denn Monopole, um die ausgeprägteste Form zu nennen, gehen häufig mit höheren Preisen einher, mit weniger Innovation, einer ineffizienteren Ressourcenallokation sowie einer eingeschränkten Auswahl an Produkten und Dienstleistungen. Mitunter kommt es auch zu Machtmissbrauch, etwa in Form unfairer Geschäftsbedingungen.


Marktkonzentration bei der Stimmrechtsvertretung

 

Bei Oligopolen, wo wenige große Anbieter den Markt dominieren, kommen diese Nachteile, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenfalls zum Tragen. Genauso wie bei einer Sonderform des Oligopols: dem Duopol. Hier teilen sich zwei große Player den Markt. Und genau einem solchen Duopol sehen sich Investierende gegenüber, die zu einer aktiven Aktionärsdemokratie beitragen wollen. Denn den Markt für Dienstleistungen im Bereich Proxy Voting, also der Stimmrechtsvertretung, beherrschen bereits seit vielen Jahren Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis. 90 Prozent[1] des Marktes, nach einigen Quellen[2] sogar ein noch größerer Teil, entfallen auf die beiden US-amerikanischen Unternehmen.


Die Dienstleistung der Stimmrechtsvertretung ist so wichtig, weil Fondsanbieter und institutionelle Investoren die Aktien vieler Unternehmen halten. Es kann sich mitunter um Tausende handeln. Da ist es nahezu unmöglich, bei allen diesen Firmen die Hintergründe und aktuellen Herausforderungen zu recherchieren, die Agenden und Abstimmungspunkte zu analysieren und sich eine fundierte Meinung zu bilden, ob bei bestimmten Punkten zugestimmt werden sollte oder ob es möglicherweise sinnvoller und verantwortungsvoller wäre, dagegen zu votieren oder sich zu enthalten. Genau diese Arbeit nehmen ISS und Glass Lewis Investierenden ab, indem sie Empfehlungen erarbeiten. Mit diesen beeinflussen sie maßgeblich die Unternehmensführung börsennotierter Unternehmen. Sie gelten daher als die “heimliche Macht auf Hauptversammlungen”.[3]


Großer Einfluss von ISS und Glass Lewis

 

Diesen Einfluss betrachten selbst die Regierungen konservativer US-Bundesstaaten mit Argusaugen. Sie verboten Anfang 2023 [4] im Zuge des "ESG-Backlash" staatlichen Pensionsfonds, den Nachhaltigkeitsempfehlungen von Proxy-Voting-Dienstleistern wie ISS und Glass Lewis Folge zu leisten. Kritik an dem Duopol gibt es jedoch vor allem von denjenigen, die aus einer treuhänderischen Pflicht heraus und aus einem Verantwortungsbewusstsein für die jetzigen und künftigen Generationen das Instrument der Stimmrechtsausübung gerade für ESG-Themen systematisch nutzen oder nutzen möchten.

 

Beispielsweise gibt es die Warnung, dass regelbasierten Modelle, in welchem auch Algorithmen zur Anwednung kommen und auf dessen Grundlage die Empfehlungen zur Stimmrechtsausübung beruhen, auf den Vorstandsetagen homogene Praktiken befördern. Denn weil die Unternehmen Gegenstimmen zu verhindern suchen, richten sie sich präventiv nach den beiden marktbeherrschenden Dienstleistern.[5] Die Kehrseite: Für Innovatives, Neues und individuelle Lösungswege sinken die Chancen. Darüber hinaus beklagen andere, dass der Mangel an disziplinierenden Marktkräften vermehrt Fehler hervorbringe, die dann in die Empfehlungen einfließen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft einen Mangel an Transparenz.[6] Auch Interessenkonflikte stehen auf der Liste der Einwände, die gegen die beiden Marktführer vorgebracht werden. Dies ist verständlich. Schließlich kann es in der Tat zu Kollisionen kommen, wenn Dienstleistungen zugleich an Emittenten und Investoren verkauft werden.[7]


Lösungen jenseits von Massenabfertigungen

 

In dieser Gemengelage stellt sich gerade für ambitionierte und verantwortungsbewusste Investoren, die mit ihren Anlagen auch gesellschaftlich wirken wollen, die Frage nach Lösungen jenseits dieser Massenabfertigungen. Auch wenn der Markt klein ist, finden sich einzelne Alternativen. In Großbritannien gibt es beispielsweise Minerva. Vor einiger Zeit noch hätte außerdem Proxinvest dazugezählt. Jedoch wurde der Stimmrechtsdienstleister aus Frankreich 2022 von Glass Lewis aufgekauft.[8] Als weiterer kontinentaleuropäischer Anbieter bleibt damit nur Ethos aus der Schweiz, die sich bei genauerem Hinsehen als eine ausgesprochen interessante Akteurin entpuppt.

 

Ethos, bestehend aus der 1997 gegründeten Ethos Stiftung und den im Jahr 2000 ins Leben gerufenen Ethos Services, verfolgt den Zweck, insbesondere Pensionskassen, aber auch gemeinnützige Organisationen, darin zu unterstützen, nachhaltig und verantwortungsbewusst zu investieren und dabei ESG-Kriterien zu berücksichtigen. Ethos Services bietet darüber hinaus weiteren Investoren eine Reihe von Dienstleistungen an, darunter einen umfassenden Analysedienst für Hauptversammlungen und administrative Unterstützung bei der Ausübung der Stimmrechte.[9]


Prinzipien für nachhaltige Anlagen

 

In einem öffentlich zugänglichen Dokument, den Prinzipien für Nachhaltige Anlagen, legt Ethos in neun Prinzipien dar, welche Grundlagen und Werte für das Unternehmen beim Investieren handlungsanleitend sind. An erster Stelle nennt Ethos den eigenen Anspruch, in Sachen Geschäftsethik stets die besten Praktiken einzuhalten. Konkret mündet dies in der Maßgabe, unabhängig, professionell und transparent und im Sinne der treuhänderischen Pflichten zu handeln. Dazu gehört auch die Ausübung der Aktionärsstimmrechte, die in den Prinzipien 7, 8 und 9 ausformuliert sind:[10]

 

·       Prinzip 7: Ethos übt ihre Aktionärsstimmrechte systematisch entsprechend ihren Stimmrechtsrichtlinien aus, die auf den besten Praktiken im Bereich Corporate Governance basieren. Die Stimmrechtsrichtlinien und Stimmempfehlungen werden im Internet veröffentlicht.

·       Prinzip 8: Ethos nimmt das direkte Gespräch mit kotierten Unternehmen über ESG-Fragestellungen auf und unterstützt Ethos kollektive Engagement Initiativen, die mit ihrer Charta im Einklang stehen.

·       Prinzip 9: Ethos kann die Massnahmen eines aktiven Aktionariats verstärken, insbesondere durch Interventionen an der Generalversammlung, durch Einreichen von Aktionärsanträgen, den Zusammenschluss mit anderen Aktionärinnen und Aktionären oder durch das Ergreifen rechtlicher Schritte. Solche Massnahmen werden ergriffen, wenn der Dialog mit den Führungsinstanzen blockiert ist und es notwendig wird, die langfristigen Interessen des Aktionariats sowie der übrigen Anspruchsgruppen zu verteidigen.

 

Bei Ethos ist die Ausübung der Stimmrechte in eine ganzheitliche übergeordnete Strategie nachhaltigen Anlegens sowie in einen umfassenden Engagement-Ansatz eingebettet. Dieser wiederum basiert auf sehr umfassenden und detaillierten Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte. Sie enthalten Ausführungen zu Bereichen wie Nachhaltigkeit, Verwaltungsrat, Fusionen und Übernahmen oder Vergütung und werden außerdem regelmäßig ergänzt und aktualisiert. Gerade kürzlich verschärfte Ethos ihre Richtlinien und fasste die Erwartungen an die Verfügbarkeit und Vielfalt in den Verwaltungsräten strenger. Zudem nahm Ethos neue Anforderungen für die Genehmigung von Nachhaltigkeits- und Klimaberichten in die Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte auf.[11]


Ethos veröffentlicht Stimmempfehlungen zu Schweizer und internationalelen Unternehmen

 

Ethos bietet jedes Jahr rund 500 Analysen von von Hauptversammlungen außerhalb der Schweiz an, etwa von europäischen, nordamerikanischen oder in Asien oder dem Pazifik ansässigen Unternehmen.  Die Untersuchungen umfassen Angaben zu den einzelnen Tagesordnungspunkten und Stimmempfehlungen und werden durch eine Reihe weiterer Informationen zum jeweiligen Unternehmen komplettiert. Ein Beispiel bietet die Analyse zur Hauptversammlung des Baumaterialien-Herstellers Holcim. Ethos veröffentlicht ihre Stimmempfehlungen zudem jeweils fünf Tage vor den Hauptversammlungen der Schweizer Unternehmen auf ihrer Webseite. Sie können somit von anderen kostenfrei genutzt werden.

 

Damit deckt Ethos eine beachtliche Anzahl an Unternehmen ab, kann aber quantitativ nicht mit den Marktführern ISS und Glass Lewis mithalten. Ethos steht für Klasse, die Marktführer dagegen eher für Masse. Tatsächlich verwendeten die beiden Unternehmen ihre Kräfte in der jüngeren Vergangenheit verstärkt darauf, durch Übernahmen und Zukäufe zu expandieren. So ging ISS, seit Ende 2020 mehrheitlich im Eigentum der Deutschen Börse, in den letzten Jahren verstärkt auf Shopping-Tour und erwarb beispielsweise 2015 Ethix SRI Advisors aus Schweden und 2018 oekom research aus Deutschland und weitere Dienstleister, insbesondere aus dem ESG-Bereich. Der Hauptinvestor von Glass Lewis ist Peloton Capital Management. Glass Lewis selbst erwarb in den letzten Jahren unter anderem Proxinvest aus Frankreich und bereits 2015[12] den deutschen Stimmrechtsanbieter IVOX.


Ausrichtung an gesellschaftlichen Zielen statt Kommerz und Profit

 

Ethos steht in einem starken Kontrast zu den hundertprozentig kommerziell ausgerichteten und profitgetriebenen Marktführern. Denn das Geschäftsmodell der schweizerischen Akteurin ist an klaren ethisch-nachhaltigen Zielen und Zwecken ausgerichtet, die sie in ihrer Charta wie folgt festgeschrieben hat:


1.          Bei den Anlagetätigkeiten die Berücksichtigung von Grundsätzen für nachhaltige Entwicklung und die Best-Practice-Regeln im Bereich der Corporate Governance fördern.

2.          Ein stabiles und prosperierendes sozioökonomisches Umfeld, das der Gesellschaft als Ganzes dient und die Interessen der zukünftigen Generationen wahrt, fördern.

 

Die Ausübung der Stimmrechte ist Ethos so wichtig, dass diese in der Charta explizit Erwähnung finden. Mehr noch: Sie sind bereits dort in einen umfassenderen Engagement-Ansatz eingebettet, der den Dialog mit den Führungsinstanzen der Unternehmen umfasst sowie das gemeinsame Handeln in Aktionärsvereinigungen und das Einreichen eigener Aktionärsanträge. Investierenden, die mit ihren Anlagen im Sinne von Nachhaltigkeit und Transformation wirken wollen, kommt ein solch ganzheitlicher Ansatz entgegen.

 

Denn gerade Engagement, also die Nutzung der gesamten Bandbreite der Aktionärsrechte und Dialoge mit den Unternehmen, in die investiert wurde oder investiert werden soll, gilt im Vergleich zu anderen nachhaltigen Anlagestrategien als besonders vielversprechend. So wird Engagement in wissenschaftlichen Publikationen als eine Strategie aufgeführt, deren Wirkung bereits empirisch belegt werden konnte.[1] Wer auf Engagement setzt, möchte wirken. Und dafür braucht es Dienstleister, die sich stetig weiterentwickeln, intrinsisch motiviert sind und das gesamte Spektrum möglicher Maßnahmen ausschöpfen.

 

Ranglisten zur Ausübung der Stimmrechte im Sinne von Nachhaltigkeit

 

Dass Ethos der Ruf einer besonders versierten Akteurin in Sachen Nachhaltigkeit und Engagement vorauseilt, bezeugt nicht zuletzt das jüngst veröffentlichte Ranking Voting for Sustainability bzw. die dahinterliegende Methodik. Denn das Unternehmen rezonanz, Urheber der Rangliste, bediente sich hierfür der Expertise von Organisationen mit einer besonders hohen Nachhaltigkeitskompetenz, wie eben Ethos oder auch die Initiative Climate Action 100+. Konkret ließ resonanz diese Organisationen bewerten, welche zur Abstimmung stehenden Resolutionen denn tatsächlich als nachhaltig zu klassifizieren sind. Auf dieser Basis wiederum wurde das Abstimmungsverhalten von 140 globalen Investoren, darunter Vermögensverwalter und Asset Owner, analysiert. Das Resultat ist ein kontextualisierter Überblick zur Nachhaltigkeit des Abstimmungsverhaltens zentraler Finanzmarktakteure.

 

Auch die britische NGO ShareAction erstellt Ranglisten zum ESG-Abstimmungsverhalten. Entsprechende Listen der global größten Vermögensverwalter werden alljährlich veröffentlicht und erlauben daher Vergleiche im Zeitverlauf. Zudem lassen sich die Rankings separat nach den Kategorien Umwelt, Soziales und Lobbying sortieren. Die Analysen von rezonanz und ShareAction sind zwar nicht deckungsgleich, weisen aber Überschneidungen auf und sind sich in einem entscheidenden Punkt sehr einig: der Relevanz der Stimmrechtsausübung für Nachhaltigkeit.


Breit aufgestelltes Engagement und klar formulierte Klimaziele

 

Genau diese Relevanz stellt Ethos jedes Jahr erneut unter Beweis – und zwar für ein breites Themenspektrum, wie der letzte Geschäftsbericht zeigt. Demnach zielten die Engagement-Aktivitäten 2023 neben dem Klimaschutz auf Themen wie Biodiversität, Menschen- und Arbeitsrechte, digitale Verantwortung, ESG-Berichterstattung, Steuerverantwortung, Geschäftsethik oder Lobbying. Nachhaltigkeit ist komplex und facettenreich und hat darüber hinaus viel mit Glaubwürdigkeit zu tun. Nur denjenigen, die bei sich selbst ansetzen, kann zugetraut werden, tatsächlich einen Beitrag zu unserer Zukunftsfähigkeit zu leisten. Ethos zeigt in seinem Nachhaltigkeitsbericht  Flagge, legt Kennzahlen offen und formuliert klare Klimaziele – für sich selbst, für ihre Fonds und das eigene Anlageportfolio.

 

Ethius Invest im Februar 2025



[3] Ebenda.

[4] Ebenda.

[10] Original zitiert gemäß den Prinzipien für nachhaltige Anlagen auf den Seiten 25, 26 und 28.


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