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Kriege und Aufrüstung - Ein hoher ökonomischer, ökologischer und sozialer Preis

Autorenbild: Ethius Invest Ethius Invest

Aktualisiert: 24. Jan.

Die Rüstungsproduktion läuft auf Hochtouren. Konzerne und Aktionäre profitieren. Kosten und Risiken werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Nachhaltig Investierende aber handeln im Sinne von Zukunftsfähigkeit. Knapp drei Jahre wütet der Krieg in der Ukraine bereits. Die politische Antwort lautet seit Beginn an Waffenlieferungen, Aufrüstung und beträchtliche Mehrausgaben für die Verteidigung. Geht es nach Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, soll der Wehretat nochmals deutlich angehoben werden, nämlich auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dies entspräche einer Verdopplung.[1] Und der US-Präsidenten Donald Trump verlangt von den NATO-Verbündeten gar, die Ausgaben für Verteidigung auf fünf Prozent zu steigern.[2]


Viele bewaffnete Konflikte und Kriege


Dabei geht es längst nicht nur um den Schutz der Ukraine und die Bedrohung durch Russland. Die USA selbst rüsten sich für einen mögliche militärische Auseinandersetzung mit China.[3] Kriege und bewaffnete Konflikte toben zudem im Nahen Osten, im Sudan, im Jemen, in Mali. Die Liste der betroffenen Länder und Regionen ist lang. Tatsächlich gab es weltweit noch nie so viele bewaffnete Konflikte und Kriege wie heute.[4] Die Welt ist unsicherer geworden. Analog zu dieser Entwicklung steigen die Ausgaben für Rüstung. Sie erreichten 2023 einen neuen Rekord.[5]

 

Der Löwenanteil entfällt auf die USA. Die nächsten Ränge nehmen China und die anderen NATO-Staaten ein. Sie geben in etwa gleich viel für Verteidigung aus. Dann folgt Südasien, wozu auch Australien zählt, danach Russland, der Nahe Osten inklusive Nordafrika sowie mit etwas Abstand Indien. [6] Welchen Stellenwert der militärisch-industrielle Komplex (siehe Textkasten) in  den USA einnimmt, illustriert folgendes Zahlenbeispiel: Von den rund 3,5 Millionen Menschen, die für die US-Regierung tätig sind, gehen 72 Prozent einer verteidigungs-bezogenen Beschäftigung nach. Auf das US-amerikanische Bundesministerium für Gesundheit und Soziales entfallen dagegen lediglich vier Prozent.[7]


Der Begriff militärisch-industrieller Komplex geht auf den ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower zurück. Am Ende seiner Amtszeit beschrieb er mit diesem Begriff die “Verbindung eines enormen Militärapparats und einer großen Rüstungsindustrie”, die neu in der amerikanischen Geschichte sei. Er verweist auf einen enormen wirtschaftlichen, politischen, sogar geistigen Einfluss und anerkennt zwar einerseits die aus seiner Sicht Notwendigkeit dieser Entwicklungen, verweist aber zugleich auf deren schwerwiegende Auswirkungen.[8] 


Deutschland belegt bei Rüstungsexporten Platz 5

 

Die US-amerikanische Rüstungsindustrie ist bärenstark aufgestellt. Allein der Branchenprimus Lockheed Martin erwirtschaftete 2022 Umsätze von knapp 60 Milliarden US-Dollar.[9] Derartige Auftragnehmer mit großen Produktionskapazitäten braucht die USA auch für ihre massiven Rüstungsexporte, von denen in den letzten Jahren mit Abstand die meisten an Saudi-Arabien gingen. Das Königreich ist in den seit 2015 im Jemen tobenden Mehrfrontenkrieg involviert. Wichtige Rüstungsexporteure nach den USA sind Russland, wobei hier im Vergleich zum Zeitraum 2014 bis 2018 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist, Frankreich, China und Deutschland, das damit den fünften Platz im Ranking belegt.[10]

 

Rüstungskonzerne erfreuen sich aktuell gleich in mehrfacher Hinsicht eines optimalen Umfelds. Dies gilt auch, wenn wir nach Deutschland blicken. Dort werden zwar relativ zu den USA kleinere Brötchen gebacken. Jedoch konnte beispielsweise Rheinmetall 2024 seine Marktkapitalisierung verdoppeln. Sie liegt nun mit 26,7 Milliarden Euro höher als die von Vonovia. Der Konzern expandiert zudem weiter, baut gerade eine Munitionsfabrik in Litauen und plant eine Pulverproduktion in Rumänien. Nach Angaben des Rheinmetall-Chefs Armin Papperger stellte der Konzern über die letzten drei Jahre jeweils 6.000 Mitarbeitende ein. Die Belegschaft bezeichnet er als „hochmotiviert“.[11]


Rüstungsindustrie als „Mutter aller Nachhaltigkeit“?

 

Neben der guten Auftragslage profitiert die Rüstungsindustrie von einem geänderten gesellschaftlichen Klima. Dies weiß Armin Papperger und unterstreicht die Bedeutung seiner Branche zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit.[12] Die EU-Kommission geht noch einen Schritt weiter und hebt den Beitrag der Rüstungsindustrie “zur Resilienz und Sicherheit der Union und damit zu Frieden und sozialer Nachhaltigkeit” hervor.[13] Damit ist sie ganz auf Linie der deutschen Rüstungslobby BDSV, dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die für ihre Branche mit dem Slogan „Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit“ wirbt.[14] Doch hält dieses „Nachhaltigkeitsversprechen“ einer nüchternen Analyse stand?

 

Zumindest mit Blick auf ökologische Aspekte lässt sich diese Frage recht leicht beantworten. Denn allein die Wirkung auf den Klimawandel ist enorm (siehe hierzu "Der Klimafaktor Militär"). Studien zufolge entfallen etwa 5,5 Prozent der globalen Treibhausgasemission auf das Militär.[15] Das US-Verteidigungsministerium gilt als die Institution, die weltweit die größte Menge an Treibhausgasen produziert.[16] Die Initiative militaryemissions.org hat sich dem Ziel verschrieben, überhaupt einmal erst Transparenz für die Klimawirkungen von Rüstung und Verteidigung zu schaffen.


Giftige Hinterlassenschaften militärischer Einsätze

 

Mit Blick auf die weiteren Umweltwirkungen von Kriegen liegen Schädigungen aufgrund von massiven Zerstörungen und dem Einsatz giftiger Stoffe auf den Hand. Allein das Beispiel der ökologischen Folgen durch die Einsätze der US-amerikanischen Armee im Nahen Osten vermittelt einen Eindruck des Ausmaßes:[17] Die Hinterlassenschaften reichen von abgereicherten Uran, verseuchtem Grundwasser, toxischem Schutt von zerstörten Gebäuden, zurückgelassener Munition, massiver Luftverschmutzung, verseuchtem Meeresgewässer bis hin zu illegal entsorgtem Müll und krankmachenden Ewigkeitschemikalien. Umfang und Ausmaß der Umweltschäden und Gesundheitsrisiken, die auf militärische Einsätze zurückzuführen sind, sind dabei vermutlich noch viel höher als bislang bekannt, weil Daten, detaillierte Analysen und Studien fehlen. 

 

Ein besonders schwieriges Kapitel mit Blick auf Kriege und militärische Konflikte sind die vielen zivilen Opfer.[18] Auch hier fehlen Informationen und Daten. Meist können nur Schätzungen vorgenommen werden. Beispielsweise wird beim Syrienkrieg davon ausgegangen, dass etwa 20.000 bis 55.000 syrische und irakische Zivilisten ums Leben gekommen sind. Im Zuge des Krieges der israelischen Armee im Gazastreifen sollen dort bis zum Beginn des September 2024 mehr als 40.000 Menschen getötet und über 94.000 verletzt worden sein. Die zivilen Todesopfer im Ukrainekrieg werden auf mindestens 12.456 geschätzt, darunter 669 Kinder.[19] Auch Schätzungen zu den getöteten und verletzen Soldaten liegen vor: Die Anzahl gefallener russischer Kämpfer soll mindestens 78.000 betragen, diejenigen der ukrainischen Seite mindestens 43.000. Hinzukommen über eine halbe Million Verwundete.[20]


Olaf Müller: „Die Freiheit kann zurückkommen. Der Tod aber ist unabänderlich.“

 

Für den Berliner Philosophen Olaf Müller bedeutet das Leben des Einzelnen ein „riesiges Gut“. Auch deshalb verweist er in einem Interview mit der Wochenzeitschrift DIE ZEIT darauf, dass die Freiheit zurückkehren könne, der Tod aber unabänderlich sei.[21] Dabei lehnt Olaf Müller, der in den achtziger Jahres des letzten Jahrhunderts Wehrdienst leistete, Gewalt als Mittel nicht prinzipiell ab. Er argumentiert verantwortungsethisch. Dies bedeutet, dass er Handlungen aus einer Wirkungsperspektive heraus abwägt und bewertet. Dabei kommt er trotz des moralischen Gewichts, das er dem Hilferuf der Ukraine beimisst, wegen der drohenden Gefahr eines Atomkriegs „schweren Herzens“ zu dem Schluss, Waffenlieferungen an das Land abzulehnen.

 

Die Frage ist also, wie die möglichen Folgen von Kriegen und militärisch ausgetragenen Konflikten einzuschätzen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen sind. Dabei sind ebenso die Auswirkungen von Aufrüstung und gesteigerten Rüstungsausgaben zu berücksichtigen. Offensichtlich ist, dass erhöhte Wehretats bei Haushaltsumschichtungen Kürzungen in anderen Bereichen bedingen. Im Falle von Lockheed Martin beispielsweise flossen erhebliche Teile der milliardenschweren Aufträge der US-Regierung in umfangreiche Aktienrückkaufprogramme, deren Ziel es ist, die Kurse nach oben zu treiben. Allein 2022 legten die Aktien von Lockheed Martin um 37 Prozent zu. Steuergelder werden also in Profite für Aktionäre umgewandelt, was ökonomische Ungleichheiten im Land verstärkt und soziale Konflikte befördern kann.[22] 


Proxy Wars als antidemokratische Unternehmungen

 

Die Situation ist aber nochmals komplexer. Denn bei den heutigen militärischen Konflikten handelt es sich oftmals um die aus den Zeiten des Ost-West-Konflikts bekannten Stellvertreterkriege.[23] Sie gehen von westlichen Demokratien genauso ausgehen wie von repressiven Regimen. Durch diese so genannten Proxy Wars werden direkte Konfrontationen vermieden. Stattdessen wird auf undurchsichtige und verleugnete Operationen gesetzt, oftmals kombiniert mit Methoden eines „Informationskrieges“. Im Gegensatz zu traditionellen Militäreinsetzen geht es dabei gar nicht mehr zwingend um einen Sieg, sondern oftmals darum, einen prekären Status quo aufrecht zu erhalten, Machthaber zu stürzen oder schlicht Chaos zu stiften. Stellvertreterkriege können für Regierungen darüber hinaus attraktiv sein, weil sie politische Kritik im eigenen Land erschweren und sich Recherchen zu Kosten, Toten und Verwundeten sowie rechtliche Anfechtungen leichter vermeiden lassen. Der Journalist Tom Stevenson bezeichnet Stellvertreterkriege daher als „antidemokratische Unternehmungen“.[24]


Dem industriell-militärischem Komplex Gelder entziehen und zukunftsfähig umlenken

 

Die Eskalation, um die sich Philosoph Olaf Müller sorgt, droht damit auch jenseits der atomaren Bedrohung in vielerlei Hinsicht, auf unterschiedlichen Ebenen und in immer mehr Regionen und Ländern. Dass die Rüstungsbranche und ihre Investoren davon profitieren, ist lediglich die andere Seite der Medaille. Mittel- bis kurzfristig aber gefährdet die dadurch in Gang gesetzte Gewaltspirale unsere Lebensgrundlagen und damit unseren Wohlstand. Im umfassenden Sinne nachhaltig Investierende entziehen daher dem industriell-militärischen Komplex ihr Kapital und fördern stattdessen mit ihren Anlagen und mithilfe von Dialogstrategien Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen, die Frieden und Stabilität fördern. Sie sind sich des hohen ökonomischen, ökologischen und sozialen Preises von Kriegen und Aufrüstung bewusst und investieren in Zukunftsfähigkeit.


Umwelt- und Menschenschutz sind urkonservative Anliegen

 

Angesichts der von den USA ausgehenden ESG-Gegenbewegung, einer sich hierzulande abzeichnenden Transformationsmüdigkeit und einem allgemein schweren Stand von ökologisch-sozialen Anliegen entsteht in den öffentlichen Debatten immer wieder der Eindruck, es handele sich bei Nachhaltigkeit um ein linksideologisches Gedankengut. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. In einem Podcast des Fernsehmoderators Markus Lanz und des deutschen Philosophen Richard Precht (ab Minute 50:30) sagt letzterer, Menschen Schutz zu bieten und die Schöpfung zu bewahren entspringe einem tief konservativen und bewahrenden Herzen und sei daher in keiner Form ideologisch oder auf eine politische Farbe festgelegt. Es geht also schlicht um das urkonservative Anliegen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und damit unsere Überlebens- und Zukunftsfähigkeit zu sichern.


Ethius Invest im Januar 2025



Quellen:

[4] Siehe Im Kriegszustand. Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 (siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 67. Die Zahlen beziehen sich auf 2023.

[5] Siehe Editorial. Immer mehr Waffen von Dorothee D’Aprile, Jakob Farah und Anna Lerch, in: Im Kriegszustand. Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 (siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 67. Die Zahlen beziehen sich ebenfalls auf 2023.

[6] Siehe Im Kriegszustand. Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 (siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 8. Die Zahlen beziehen sich auf 2023.

[7] Ebenda.

[8] Ebenda.

[9] Ebenda, Seite 9.

[10] Ebenda, Seite 4.

[12] Ebenda.

[16] Siehe Toxische Hinterlassenschaften. Die Umweltsünden der US-Armee im Nahen und Mittleren Osten Im Kriegszustand, von Bruce Stanley und aus dem Englischen von Nicola Liebert übersetzt, in: Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 84.

[17] Vgl. für die folgenden Ausführungen ebenda, Seite 83ff.

[18] Vgl. für die folgenden Ausführungen Wer zählt die zivilen Toten? von Damien Lefauconnier in: Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 50ff.

[21] Siehe Wir müssen dem Guten im Menschen einen Vertrauensvorschuss geben, Interview mit der Journalisten Malte Henk und Wolfgang Uchatius mit dem Berliner Philosophen Olaf Müller, das in der ZEIT Nr. 50/2024 erschienen ist: https://www.zeit.de/2024/50/olaf-mueller-philosophie-pazifismus-ukrainekrieg-militaer 

[23] Siehe zu den folgenden Ausführungen Proxy Wars von Tom Stevenson, übersetzt von Niels Kadritzke, in: Die Welt rüstet auf, Edition LE MONDE diplomatique, Edition N° 36, 2025 siehe https://monde-diplomatique.de/product_info.php?products_id=245528), Seite 61ff.

[24] Ebenda, Seite 65.


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