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  • AutorenbildEthius Invest

Lehren aus der NZIA-Austrittswelle

Mit grossen Plänen startete 2021 die Net Zero Insurance Alliance (NZIA) zum Auftakt des G20-Klimagipfels. Das damals in Zusammenarbeit mit der Glasgow Financial Alliance for Net Zero unter Schirmherrschaft der Principles for Sustainable Insurance Initiative und der Finanzinitiative des UN-Umweltprogramms ins Leben gerufene Bündnis setzte sich zum Ziel, die Portfolios seine Mitglieder bis 2050 gemeinsam auf emissionsneutral umzustellen und damit in Einklang mit den Pariser Klimazielen zu bringen. Der Start machte Hoffnung. Schliesslich waren gleich zu Beginn grosse Namen mit dabei: AXA, die Allianz, Aviva, Generali, Munich Re, SCOR, Swiss Re und die Zurich Insurance Group. Zudem ergibt es gleich aus dreierlei Gründen Sinn, im Kampf gegen die Erderwärmung bei Erst- und Rückversicherern anzusetzen. Sie entscheiden erstens, ob neue Kohle- oder Öl-Projekte versichert werden. Sie bringen zweitens kraft ihrer Rolle als Risikomanager ein originäres Eigeninteresse am Klimaschutz mit. Und sie beeinflussen drittens als Investoren Billionensummen. Bei diesem Punkt setzt die NZIA an.

Anfänglich schien sie damit zu begeistern. Weitere Erst- und Rückversicherer traten der Klimaallianz bei, darunter die deutsche Hannover Re. Bis zum März 2023 stieg die Mitgliederzahl auf 30. Von da an ging es jedoch rapide bergab: Munich Re kehrte der NZIA als Erste den Rücken zu. Dann gab die Zurich Insurance Group ihren Austritt bekannt. Hannover Re folgte kurze Zeit später und Akteure wie AXA und die Allianz zogen im Mai nach. Stand August 2023 zählt die NZIA nur noch elf Mitglieder. Wie kam es zu dem Schwund? Waren den Erst- und Rückversicherern die Ziele der Klimaallianz zu ambitioniert? Hierzu gab es in der Tat Mutmassungen, denn Anfang Januar veröffentlichte die NZIA ihr erstes Zielsetzungsprotokoll (NZIA Target Setting Protocol). Und dass die Bemühungen der Branche ambitionierter ausfallen, ist ein offenes Geheimnis. Als Beispiel sei die Hannover Rück angeführt. Zu deren virtueller Hauptversammlung im Mai 2023 reichte Ethius Invest einen Gegenantrag ein, welcher Schwachstellen wie erhebliche Risiken aus fossilen Brennstoffprojekten im Bereich der fakultativen Rückversicherung sowie ein wenig nachhaltig ausgerichtetes Asset-Management aufzeigte.

Dennoch war das Ambitionsniveau der NZIA wahrscheinlich nicht der Grund für die Massenaustritte. Vielmehr waren kartellrechtliche Risken ausschlaggebend. Was war geschehen? Medienberichten zufolge erging im Mai 2023 an die NZIA-Mitglieder ein Brief von 23 US-Generalstaatsanwälten, der die Ziele und Anforderungen der Klimaallianz als Verstösse gegen Kartellrecht auf Bundes- und Landesebene brandmarkte. Sie forderten Rückmeldung binnen eines Monats.

Daraufhin folgte die Austrittswelle. Bemerkenswert ist hierbei jedoch nicht, dass Investoren-Engagement für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Allianzen mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden sein kann. Ähnliche Diskussionen gibt es andernorts auch, etwa in Deutschland. Vielmehr verweist der Fall auf eine neue Dimension des Einflusses der wachsenden US-amerikanischen Anti-ESG-Bewegung: Sie zeitigt mittlerweile Wirkung über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Und dies nicht nur bei der NZIA. So gab Standard & Poor’s jüngst bekannt, künftig beim Beurteilen der Kreditwürdigkeit von Unternehmen auf die Vergabe von ESG-Noten verzichten zu wollen. Auch dies wird auf politischen Druck und die damit einhergehende Rhetorik zurückgeführt, ESG verzerre die Märkte und treibe die Kosten. Weitere Rückzieher, etwa von weltweit agierenden Stimmrechtsvertretern, könnten folgen. Für den Klima- und Nachhaltigkeitskurs sind dies keine guten Nachrichten, die zudem von den eigentlich relevanten Themen ablenken. Mit Blick auf Klima-Allianzen von Investoren wie der NZIA wären dies Fragen nach der Ernsthaftigkeit des Anliegens und der Wirkung, die sie entfalten können. Denn eine vielfach formulierte Kritik lautet, Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen dienten vorrangig der Imagepflege und weniger dem Kampf gegen den Klimawandel. Hierfür gibt es tatsächlich empirische Belege. Die NGO ShareAction wies dies der prominentesten Investoren-Initiative diese Art, Climate Action 100+, nach. Es geht also um Zweierlei: Dem politischen Druck standzuhalten und gleichzeitig das Ambitionsniveau innerhalb wie ausserhalb von Allianzen beizubehalten bzw. weiter zu erhöhen. Dass die NZIA bislang nicht aufgeben hat und sich nun in einem Arbeitsbereich zu kartellrechtlichen Fragen befasst, kann als ermutigend angesehen werden – und die Rück- und Erstversicherer, die es wagen NZIA-Mitglieder zu bleiben, als Inspiration. -- Ebenfalls erschienen im Private Magazin 3/2023

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